Acetyl-Salicylsäure schaltet Gene an

Acetyl-Salicylsäure schaltet
Gene an

08.10.2007 – Infektionen sind äußerst komplizierte
biologische Prozesse: Zahlreiche Gene sowohl des Krankheitserregers als auch
des befallenen Organismus sind an ihrem Ausbruch und an ihrer Bekämpfung
beteiligt. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in
Braunschweig haben jetzt ein verblüffend einfaches Verfahren entwickelt, mit
dem sie einzelne Gene von Bakterien während einer Infektion mit Aspirin gezielt
anschalten können. Damit lässt sich die Funktion des Erbmaterials im
Krankheitsprozess in Zukunft genau untersuchen. Seine Ergebnisse veröffentlicht
das Team um den HZI-Forscher Prof. Carlos A. Guzman heute in der
Fachzeitschrift "Nature Methods".

Krankmachende
Bakterien setzen vielfältige Tricks ein, um in unseren Körper zu gelangen. Dazu
gehören auch spezielle Proteine – so genannte Virulenzfaktoren – mit denen die
Krankheitserreger unsere Körperzellen regelrecht aufschließen, in sie
eindringen und sich dann vermehren. Gesteuert wird die Produktion der
Virulenzfaktoren von den Genen der Bakterien. "Da sich immer eine große
Zahl dieser Proteine an der Infektion beteiligt, ist es sehr schwer, die Rolle
und Bedeutung einzelner Virulenzfaktoren zu bestimmen", erklärt Guzman das
Dilemma der Infektionsforscher: "Das wird erst möglich, wenn wir die Gene
ganz gezielt anschalten können."

Zwar habe es entsprechende künstliche genetische Schalter bereits gegeben, so
Guzman: "Sie hatten aber Nebenwirkungen oder waren nicht effizient genug
und ließen eine ungestörte Beobachtung im ganzen Organismus nicht zu." Den
Durchbruch ist Guzmans Team mit einer Substanz namens Acetyl-Salicylsäure (ASA)
gelungen, dem Wirkstoff von Aspirin. Seine Wirkungsweise ist bestens bekannt,
Nebenwirkungen verursacht ASA kaum.

Das Verfahren, mit Aspirin Gene anzuschalten, erklärt Dr. Pablo Becker, der
darüber bei Guzman promoviert hat: "Wir haben einen speziellen Genschalter
– einen so genannten Promotor – konstruiert, der empfindlich auf ASA reagiert.
Befindet sich ASA in seiner Umgebung, wird das Gen abgelesen und in ein Protein
übersetzt. Fehlt ASA, schaltet der Promotor das Gen ab. Dies erlaubt uns, eine
gezielte Aktivierung zu unterschiedlichen Zeitpunkten während des
Infektionsprozesses.

Den Funktionstest für den ASA-empfindlichen Genschalter führten die Braunschweiger
Forscher jedoch nicht bei einer Infektion sondern bei Krebs durch. Guzman:
"Wir haben Bakterien der Gattung Salmonella zunächst den neuen Genschalter
eingepflanzt." Dort steuert er die Funktion eines Gens, das für die
Aktivierung eines Krebsmedikaments verantwortlich ist. Salmonellen können im
Körper krebskranker Organismen, beispielsweise bei Mäusen, in Tumore
einwandern. Dort sammeln sie sich regelrecht an. "Verabreicht man den
Mäusen nun Aspirin sowie eine Vorläufersubstanz des Krebsmedikaments", so
Guzman, "dann produzieren die Salmonellen tatsächlich den Aktivator für
die Bildung des Zytostatikums und die Tumore schrumpfen. Der Vorteil hierbei
ist, dass dieser Prozess gezielt in den Tumoren abläuft und somit weniger
Nebenwirkungen auftreten."

Obwohl Guzman und Becker mit der erfolgreichen Bekämpfung des Krebses bewiesen
haben, dass man mit Aspirin Gene anschalten kann, wollen sie ihre
Aufmerksamkeit nun auch den Infektionen zuwenden: "Wir wollen damit
verstehen, wie sich Infektionserreger und Wirte gegenseitig beeinflussen",
so Becker. "Und mit diesem Wissen dann Strategien für neue Medikamente und
Impfstoffe entwickeln."

Originalpublikation:
Jose Luis Royo, Pablo Daniel Becker, Eva Maria Camacho, Angel Cebolla, Claudia
Link, Eduardo Santero, Carlos Alberto Guzman: In vivo gene regulation in
Salmonella spp. by a salicylate-dependent control circuit. Nature Methods, DOI:
10.1038/nmeth1107.

Quelle: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

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